Ausgangslage

In den kommenden Jahren wird der Anteil der Senior/-innen, gemessen an der Gesamtbevölkerung, stetig zunehmen, was für Politik und Gesellschaft eine grosse Herausforderung bedeutet. Beide sind gefordert Strategien und Mechanismen zu entwickeln, damit das Altern von allen Beteiligten als positiver Prozess wahrgenommen wird. Der demographischen Wandel fordert auch eine Anpassung im Bereich der Freiraumplanung. Es mangelt zunehmend an Bewegungs- und Begegnungsräumen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der Bevölkerungsgruppen gerecht werden. Zudem führen die veränderten Lebensumstände (u.a. Verstädterung, erhöhtes Verkehrsaufkommen, technologische Entwicklungen) zu immer weniger Bewegungszeit im Alltag. Die steigende Inaktivität über alle Altersgruppen hinweg hat erhebliche Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und die damit verbundenen Kosten, insbesondere durch die Zunahme von chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Übergewicht und Herz-Kreislauferkrankungen sowie durch eine erhöhte Sturzhäufigkeit bei Kindern und Senior/-innen.

Demographischer Wandel

Im Verlauf des letzten Jahrhunderts kam es in Europa zu einem bedeutenden demographischen Wandel, mit einer deutlichen Tendenz zur Überalterung der Gesellschaft. Laut dem statistischen Bundesamt der Schweiz ist der Anteil Jugendlicher (unter 20 Jahre) von 40,7% auf 20,1% gesunken währen der Anteil Senior/-innen (über 64) von 5,8% auf 18,0% gestiegen ist. Dieser Wandel lässt sich einerseits auf sinkende Geburtsraten, andererseits auf eine steigende Lebenserwartung zurückführen. Dieser demografische Wandel hat Konsequenzen für Gesundheit, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Unter anderem sind steigende Kosten im Gesundheitssystem von grosser Bedeutung, welche auch durch die Zunahme von Stürzen im Alter und deren Folgen zustande kommen. Aus diesem Grund gewinnt Bewegung- und Gesundheitsförderung hinsichtlich Sturzprophylaxe bei Senior/-innen zunehmend an Bedeutung.

Bewegungsmangel und veränderte Lebensumstände

In den vergangenen Jahren hat zusätzlich zum demographischen Wandel auch eine Veränderung der Lebenswelten stattgefunden. Urbanisierung, erhöhtes Verkehrsaufkommen und technologische Entwicklungen sind nur einige Gründe dafür. Aus Kinderperspektive führen diese Veränderungen dazu, dass naturnahe Spielmöglichkeiten eingeschränkt werden und ihr natürlicher Bewegungsdrang nicht ausgelebt werden kann und sie zunehmend inaktiv werden. Diese Zunahme an Inaktivität führt zu motorischen und kognitiven Defiziten in der kindlichen Entwicklung. Hinzu kommt, dass sich nicht nur die Lebenswelten, sondern auch Lebensumstände verändert haben. Eltern sind in der heutigen Gesellschaft zunehmend arbeitstätig und haben dadurch weniger Zeit, mit den Kindern gesundheits- und bewegungsfördernde Aktivitäten auszuüben. Anstatt Zeit draussen in der Natur zu verbringen, konsumieren Kinder immer häufiger elektronische Medien, wodurch die für die Entwicklung bedeutenden Primärerlebnisse vermehrt ausbleiben. Der aktuelle Forschungsstand besagt, dass diese erwähnten Veränderungen, hauptsächlich die erhöhte Inaktivität, negative Folgen auf mehreren Ebenen der kindlichen Entwicklung haben. Die veränderten Lebensumstände wirken sich jedoch nicht nur auf Kinder, sondern auch auf Erwachsene aus. Die Modernisierung führt mitunter dazu, dass die Bewegungszeit im Alltag stark sinkt und funktionelle Bewegungen kaum mehr durchgeführt werden. Aufgrund dieser Tatsachen ist es daher nicht erstaunlich, dass sich das Problem der Inaktivität mehr oder weniger über den ganzen Lebensverlauf erstreckt.

Freiraumplanung

Der demographische Wandel bedeutet nicht nur eine grosse Herausforderung für das Gesundheitssystem, sondern fordert auch eine Anpassung im Bereich der Freiraumplanung. Es mangelt zunehmend an Bewegungs- und Begegnungsräumen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der Bevölkerungsgruppen gerecht werden. Daher ist eine zeitgemässe Gestaltung des öffentlichen Raumes notwendig. Diese sollte zum einen soziale Treffpunkte und Orte des kommunikativen Miteinanders berücksichtigen und zum anderen Bewegungs- und Regenerationsräume im nahen Wohnumfeld für Gesundheit und Wohlbefinden aller Altersgruppen schaffen.

Generationenbeziehungen

Durch den demographischen Wandel wurde die Generationenfrage in den letzten Jahren vermehrt zum Thema der Öffentlichkeit, Politik und Forschung. Die gesellschaftlichen Umbrüche sind nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance für neue Arten der sozialen Organisation und des Zusammenlebens. Eine Zusammenführung der unterschiedlichen Generationen findet jedoch selten statt, da überwiegend Sondereinrichtungen für die einzelnen Altersklassen (Kindergärten, Horte, Schulen, Pflege- und Altersheime, Seniorentreffpunkte etc.) mit altersspezifischen Aktivitäten bestehen, und generationenübergreifende Trefforte kaum vorhanden sind. Generationenübergreifenden Projekten wird jedoch in mehreren wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Publikationen eine enorme Chancenvielfalt hinsichtlich gesellschaftlicher Integration, Toleranz, Entgegenwirken von Altersstereotypen und der Förderung von emotionalen und sozialen Kompetenzen zugesprochen. Generationenpolitik soll nicht als weiteres Feld der Politik betrachtet werden, sondern vielmehr die dynamische Vielfalt von Generationenbeziehungen vergegenwärtigen.

Sturzproblematik und Sturzprävention

Epidemiologische Studien zeigen, dass Stürze sowohl bei Kindern als auch bei Senior/-innen zu den häufigsten Unfallursachen im Haushalt, im Garten und in der Freizeit gehören. In der Schweiz ereignen sich 280‘000 Sturzunfälle pro Jahr (Statistisches Bundesamt der Schweiz 2017). Die daraus resultierenden jährlichen Kosten belaufen sich auf 1,6 Milliarden Franken. Besorgniserregend sind insbesondere die tragischen Sturzfolgen: laut aktueller Statistik sind 50% der Stürze fatal.

Kinder

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) zeigt auf, dass bei Kindern Stürze die Hauptursache für Unfälle beim Spielen sind. Die Gründe dafür sind einerseits umwelt- und umgebungsbedingt (fehlende Haltegriffe, Mängel bei Spielplatzgeräten, Lichtverhältnisse etc.) und andererseits intrinsischer Natur (v.a. Gesundheitszustand, motorische Fähigkeiten). Der wichtigste Sturzrisikofaktor bei Kinder ist die noch nicht vollständig ausgeprägte motorische Entwicklung. Demzufolge nehmen Bewegungsförderung und insbesondere die Sturzprophylaxe in der Unfallprävention einen hohen Stellenwert bei Kinder ein, wobei das Koordinationstraining besonders stark gewichtet werden sollte. Die kindliche Entwicklung soll auf spielerische Art und Weise gefördert werden. Dafür sollten Bewegungsräume gestaltet werden, welche Freiraum für ihre Kreativität zulassen und das experimentieren in der Natur sowie differenzierte Bewegungsaktivitäten ermöglichen.

Ältere Menschen

Es wird davon ausgegangen, dass jede dritte Person über 65 Jahre mindestens einmal jährlich stürzt. Mit zunehmendem Alter steigt die Sturzhäufigkeit weiter an. Demnach beträgt diese bei Personen über 75 Jahre knapp 40% und im Alter von 90 – 99 Jahren stürzt bereits jede zweite Person mindestens einmal pro Jahr. Die Risikofaktoren für Stürze bei Senior/-innen sind unterschiedlicher Natur und vielfach der Zusammenschluss von multifaktoriellen Vorkommnissen. In der Literatur wird zwischen intrinsischen und extrinsischen Sturzrisikofaktoren unterschieden. Zu den extrinsischen zählen unter anderem nicht geeignetes Schuhwerk, Umgebungsgefahren, Verwendung von inadäquaten Geh- und Sehhilfen sowie Medikation. Als intrinsische Risikofaktoren gelten Mobilitäts- und Gleichgewichtsstörungen, verringerte Muskelkraft, Seh- und Hörstörungen, psychische (Depression, Sturzangst) und kognitive Störungen (Demenz), kurzer Bewusstseinsverlust und Synkopen. Die zwei grössten intrinsischen Faktoren sind Defizite der dynamischen und statischen posturalen Kontrolle sowie muskuläre Schwächen und Dysbalancen. Diese sind einerseits auf die natürlichen Alterungsprozesse des Körpers sowie auf eine erhöhte Inaktivität zurückzuführen. Gezieltes Krafttraining beeinflusst diese altersbedingten muskulären Defizite positiv indem die Kraft erhalten und aufgebaut sowie die neuromuskuläre Leistung verbessert wird. Spezifisches Gleichgewichtstraining reduziert nicht nur die posturalen Schwankungen, sondern verbessert auch die Maximal- und Explosivkraft sowie die Reizleitung der efferenten und afferenten Nervenbahnen. Ein kombiniertes Kraft- und Gleichgewichtstraining beeinflusst Gangparameter positiv und wirkt sturzpräventiv.

Fazit: Intergenerative Sturzprophylaxe 

Da die motorische Entwicklung (Kraft und Gleichgewicht) bei Kinder und Senior/-innen ähnlich ausgeprägt ist, empfehlen Experten ein gemeinsames Bewegungsförderungsprogramm, um gleichzeitig die hohe Sturzgefahr von Kindern und älteren Personen zu reduzieren. Im Fokus sollte dabei das Kraft- sowie Koordinationstraining (insbesondere die Verbesserung des Gleichgewichts) stehen. Neben den positiven Effekten auf die physische Leistungsfähigkeit werden durch ein intergeneratives Training auch die sozialen und emotionalen Fähigkeiten der Kinder und der älteren Personen verbessert sowie ihr psychisches Wohlbefinden positiv beeinflusst.

Nutzen intergenerativer Bewegungsförderung

Die positiven Bewertungen intergenerativer Bewegungsprogramme basieren bislang ausschliesslich auf Erfahrungsberichten und offenbaren eine Forschungslücke in diesem Bereich. Aus diesem Grund führt die Stiftung Hopp-la formative und summative Evaluationen ihrer Projekte sowie eine grosse Interventionsstudie durch. Dabei werden diverse Aspekte und Wirkungen der intergenerativen Bewegungsprogramme untersucht. Anhand des aktuellen wissenschaftlichen Standes besitzt intergenerative Bewegungsförderung in den folgenden Bereichen grosses Potential.

Intergenerative Projektarbeit

In den kommenden Jahren wird der Anteil der Senior/-innen, gemessen an der Gesamtbevölkerung, weiter zunehmen, was für Politik und Gesellschaft eine grosse Herausforderung bedeutet. Strategien und Mechanismen sind gefordert, damit das Altern von allen Beteiligten als positiver Prozess wahrgenommen wird. Aufgrund des demographischen Wandels ist in den letzten Jahren die Forderung nach einer generationenübergreifenden Solidarität gestiegen. Generationenübergreifende Projekte gewinnen an Bedeutung und stossen auf zunehmendes Interesse. Das Potential des intergenerativen Ansatzes lässt sich einerseits aus der Perspektive des generationenübergreifenden Lernens erläutern. Dieses kann dazu beitragen, Disparitäten auszugleichen, d.h. soziale Segregation zu überwinden. Weitere Aspekte, die von diesem Ansatz profitieren, sind in der Abbildung oben zu erkennen.

Generationenarbeit im bewegungsorientierten Kontext

Bislang wurde den intergenerativen Projekten im bewegungsorientierten Kontext wenig Beachtung geschenkt. Dies ist mitunter deshalb Schade, da gerade das Spielen als eine bedeutende, freiwillige Aktivitätsform des Menschen über die gesamte Lebensspanne gesehen wird, welche die Auseinandersetzung mit der eigenen Umwelt positiv beeinflusst. Dem Spielen wird ein enormes Potential zugeschrieben, da es wie keine andere Aktionsform die physischen, psychischen und sozialen Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten fördert und insbesondere die Wahrnehmungs- sowie Erlebnisfähigkeit positiv beeinflusst. Mit anderen Worten fordern Spiele den Menschen auf eine ganzheitliche Art und Weise. Spielerische körperliche Aktivität (Bewegungsspiele, Sportspiele etc.) dient daher als ideale Grundlage für generationenübergreifende Bewegungsförderung. Intergenerativer Bewegungs- und Gesundheitsförderung soll demzufolge mehr Aufmerksamkeit zugesprochen werden. Bei den Kindern steht die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten im Vordergrund, wo hingegen bei den Senior/-innen deren Erhaltung zentral ist. Diese Tatsachen sollen motivieren, zukünftig einerseits Bewegungsräume zu schaffen, welche den Bedürfnissen von Jung und Alt gleichermassen gerecht werden, andererseits Projekte zu fördern, welche die Altersgruppen zueinander führen. Nur so kann das Potential des intergenerativen Ansatzes optimal genutzt werden.